Stuttgarter Zeitung
Schwäbische Spätzle für die Ärztin aus Afrika
Von Gerlinde Wicke-Naber 25. Oktober 2017 – 07:02 Uhr
Jane Francesca Namugerwa vom Lubaga-Hospital in der ugandischen Hauptstadt Kampala absolviert im Moment ein Praktikum in der Notaufnahme der Sindelfinger Klinik. Dort sei die Arbeit weit weniger stressig als in Uganda, sagt sie.
Die junge ugandische Ärztin Janefrancesca Namugerwa darf während ihres Praktikums in der Sindelfinger Klinik zwar keine Patienten behandeln – aber umso aufmerksamer beobachtet sie die Arbeit ihrer deutschen Kollegen. Foto: factum/Bach
Sindelfingen – Sehr ruhig sei es in der Notaufnahme der Sindelfinger Klinik, stellt Jane¬francesca Namugerwa fest. Dort macht die 27-jährige Ärztin aus Uganda momentan ein zweimonatiges Praktikum. „Das schlimmste, was ich in den vergangenen Wochen hier gesehen habe, war ein älterer Mann, der von der Leiter gefallen ist und sich dabei einen offenen Bruch am Bein zugezogen hat.“ Aus ihrer Heimat Uganda ist die Notärztin da ganz anderes gewohnt. „In der Notaufnahme des Lubaga-Hospitals ist es sehr laut. Ständig werden schwer verletzte, zum Teil vor Schmerzen schreiende Patienten hereingetragen, vor allem in den Wochenendnächten.“
Aidspatienten und Brandopfer
Schlimme Brandverletzungen, die kleine Kinder an den Öfen in den Häusern erleiden, sieht Namugerwa und schwer verstümmelte Opfer von Autounfällen. Aber auch viele HIV-Infizierte kommen in die Notaufnahme, wenn die Krankheit ausbricht. Bluthochdruck, Diabetes und Aids – diese Krankheitsbilder seien am häufigsten, berichtet die junge Ärztin in fließendem Englisch. Dabei hat sie mit ganz anderen Problemen zu kämpfen als ihre deutsche Kollegen. „Viele Patienten mit chronischen Erkrankungen kommen erst zu uns, wenn es ihnen sehr schlecht geht, weil sie monatelang ihre Medikamente nicht genommen haben.“ Dafür gebe es verschiedene Gründe. Manche könnten sich die Medizin schlicht nicht leisten, weil sie zu arm sind. „Andere vertrauen lieber traditionellen Heilern.“ Erst wenn dies nicht funktioniere, kämen die Patienten ins Krankenhaus; manchmal sei es dann zu spät. Zum Beispiel, wenn Mütter mit Durchfall-Babys erst die Hilfe der Ärzte suchten, wenn die Kleinen schon dehydriert seien. „Dann können wir das Kind nicht mehr retten.“
Nicht nachlässige Mütter seien der Grund, sondern das fehlende Wissen. „Die Frauen denken, dass Durchfall beim Zahnen normal sei und ohne Behandlung verschwinde. So ist Aufklärung über Krankheiten und deren Ursache ein wichtiger Bestandteil der Arbeit von Namugerwa. Jane Francesca Namuwerga will sich zur Notärztin fortbilden
Mit einem staatlichen Stipendium konnte die junge Frau an der renommierten Makerere University in Kampala studieren, absolvierte ihr praktisches Jahr am staatlichen Mergo-Hospital. Nun will sie sich als Notfallärztin spezialisieren. Seit einem Jahr arbeitet sie in der Notaufnahme des katholischen Lubaga-Hospitals in Kampala, das seit vielen Jahren eine Partnerschaft mit der Sindelfinger Klinik pflegt. Der Verein „Partnerschaft Gesunde Welt“ organisiert den Austausch von Ärzten und Pflegern zwischen den Kliniken.
Jane Francesca Namugerwa, die ihre deutschen Kollegen nur Jane rufen, schaut sich in der Sindelfinger Notaufnahme an, wie dort gearbeitet wird. Patienten behandeln darf sie nicht – dafür fehlt ihr die deutsche Zulassung. Umso aufmerksamer beobachtet sie. Mitnehmen in ihre Heimat werde sie das Triage-System, nach dem in der Sindelfinger Notaufnahme die Patienten nach der Dringlichkeit der Behandlung eingeteilt werden. Imponiert hat ihr auch die professionelle Reanimationstechnik ihrer Kollegen. „Das kannte ich bisher nur aus dem Fernsehen und Büchern. Hier erlebe ich es live.“ Auf jeden Fall brauche die Notaufnahme in Kampala einen Defibrillator für Reanimationen. „Momentan haben wir am ganzen Hospital nur einen.“
Eingearbeitet wurde Namugerwa von Andreas Hambrecht, dem leitenden Arzt der Sindelfinger Notaufnahme, auch in eine spezielle Software, mit der die Notaufnahme organisiert werden kann. Diese hat Hambrecht vor einigen Jahren selbst geschrieben und schenkt sie dem Lubaga-Hospital. „So etwas haben wir bisher noch nicht“, sagt die junge Ärztin erfreut.
Doch nicht alles empfindet die Medizinerin an der deutschen Klinik als besser als in ihrer Heimat. „Hier gibt es in der Notaufnahme für jede Krankheit einen anderen Spezialisten. In Uganda sind wir Generalisten, praktizieren ganzheitliche Medizin. Wenn jemand Kopfschmerzen hat, kann das mit Herzproblemen zu tun haben.“
Die Schwimmerin lobt das Sindelfinger Badezentrum
Heiner Stepper, der stellvertretende Vorsitzende des Vereins „Partnerschaft Gesunde Welt“ und Apotheker an der Sindelfinger Klinik, schätzt diesen wachen Blick der jungen Uganderin. „Jane ist offen, sieht genau, was aus Sindelfingen sich in Kampala umsetzen lässt. Das ist besser, als wenn Ärzte von uns in Uganda den Leuten in zehn Tagen erklären, was richtig ist.“
Auch sonst gefällt Namugerwa nicht alles in Deutschland: „Das Wetter. Das hat mich am Anfang richtig krank gemacht.“ Schätzen gelernt hat sie hingegen das schwäbische Essen. „Ich kann sogar Spätzle schaben.“ Heiner Stepper und seine Frau haben es ihr gezeigt. Besonders beeindruckt hat die ambitionierte Schwimmerin, die in Uganda in der Unimannschaft erfolgreich war, das 50-Meter-Becken im Sindelfinger Badezentrum. Und sie ist sich sicher: „Ich komme bestimmt wieder.“