Hospitationsbericht 17.10.16 – 11.11.16
Hallo,
ich möchte mich zunächst einmal vorstellen. Mein Name ist Erik Thüry, ich bin 22 Jahre alt und ich absolvierte von 2012 bis 2015 die Ausbildung zum operationstechnischen Assistenten im Caritas-Krankenhaus Bad Mergentheim. Gleich nach der Ausbildung fing ich an, als Leiharbeiter für eine Firma zu arbeiten, die medizinische Fachkräfte an Kliniken in Deutschland verleiht. Auf diese Weise habe ich die Möglichkeit, die Arbeitsweisen in verschiedenen Kliniken kennenzulernen und meine Fähigkeiten zu erweitern.
Im Zuge meiner Arbeit traf ich im Juli 2016 auf Sabine Pühl, die mir von ihrem Engagement für Kliniken in Uganda und ihren Erfahrungen mit Afrika erzählte. Sie bot mir die Möglichkeit für eine Hospitation in Uganda an, was für mich zunächst sehr befremdlich klang. In der Nacht darauf dachte ich lange darüber nach und kam zu dem Entschluss, das dies eine einmalige Chance ist Erfahrungen zu sammeln, also sprach ich Sabine am nächsten Morgen darauf an und nicht einmal drei Monate später kam ich im Lubaga Hospital in Kampala an.
An meinem ersten Tag wurde ich von Dr. Andrews begrüßt und erhielt eine Führung über das Klinikgelände und danach von Sister Barbara durch den Haupt-OP und die daran angeschlossene zentrale Sterilgutversorgungsabteilung.
Die OP-Abteilung verfügt über zwei Operationssäle, von denen der eine für Allgemein- und Viszeralchirurgie und der andere für die Traumatologie und Orthopädie vorgesehen ist. Der Standard der Geräte und Instrumente ist vergleichbar mit Deutschland vor etwa 40 Jahren. Die Instrumente werden, in Baumwolltüchern verpackt, in einem Dampfsterilisator, im Grunde ein großer Dampfkochtopf, sterilisiert. Manche der Fenster haben nur ein Fliegengitter anstelle von Glas im Rahmen und Kompressen und Bauchtücher werden von Hand zugeschnitten. Und dennoch, wie ich noch erleben sollte, funktioniert es gut, wie man an der niedrigen Rate von postoperativen Wundinfektionen sieht. Ein Zeichen dafür, dass das Immunsystem zu Einigem fähig ist, wenn es nicht durch antibiotikaversetztes Fleisch manipuliert wird. Besonders faszinierend fand ich den OP-Tisch, der nur mittels Handkurbeln und Muskelkraft verstellt werden kann, etwas was man in Deutschland nicht sieht. Neben diesen veralteten Geräten gibt es jedoch auch ein relativ neues Röntgengerät und zwei Videotürme für die endoskopische Bauchchirurgie. Ansonsten war der erste Tag sehr ruhig für mich, da es keine Operationen gab. Im Gegensatz zu Europa werden die Patienten nur mit einer begründeten Indikation und nur wenn sie sich die OP auch leisten können operiert.
Am Tag darauf konnte ich ein Beispiel für die tiefe Verbundenheit der Pflegekräfte und Pflegeschüler zur Religion kennenlernen. Zu Beginn jedes Tages wird zuerst gemeinsam gesungen, dann gebetet und erst dann kommt die morgendliche Besprechung über die geplanten Operationen. Auch danach unterschied sich der Arbeitstag von dem in Deutschland. Zunächst besteht einmal kaum Hektik im OP, was auch daran liegt, dass das Tagesprogramm um einiges schlanker ist als in einem deutschen Krankenhaus. Und nach den Operationen ist man auch nicht gleich mit den Vorbereitungen für die nächste Operation beschäftigt, sondern muss zunächst die Instrumente reinigen. So verbrachte ich die meisten Tage mit dem Instrumentieren einer OP und deren Nachbereitung, was dann den ganzen Tag in Anspruch nahm.
An diesem Tag stand ein Patient für eine Osteosynthese einer Oberschenkelfraktur in Vollnarkose auf dem Plan, ohne Röntgen, ohne Diathermie und ohne Extensionszug. Alles Annehmlichkeiten, auf die man in Uganda verzichten muss. Zunächst wurde der Bruch über einen Schnitt auf der Hälfte der Strecke zwischen Hüfte und Kniegelenk offen reponiert. Danach wurde das obere und untere Ende des Oberschenkelknochens über zwei weitere Schnitte freigelegt. Der Markraum wurde dann am oberen Ende des Knochens eröffnet und ein intramedulärer Stahlnagel eingeführt, der den Bruch schient. Der Nagel wird dann mit Schrauben an den Enden im Knochen fixiert, wofür mit einer sterilisierten Akkubohrmaschine Löcher durch den Knochen gebohrt werden müssen. Da die OP-Abteilung jedoch nicht über eine solche Maschine verfügte, wurde hierfür ein handelsüblicher Akkuschrauber aus dem Baumarkt in ein sterilisiertes Baumwolltuch eingeschlagen um ihn steril handhaben zu können.
Unvorstellbar in Deutschland, doch in der Not ist es unerlässlich zu improvisieren und wie ich schon erwähnt habe funktioniert es erstaunlich gut.
Ein nicht zu unterschätzender Faktor für Europäer, die Uganda besuchen, ist die tropische Hitze, an die man nicht gewöhnt ist. Durch meinen Beruf bin ich geübt, lange am OP-Tisch zu stehen und ich hatte damit auch noch nie Probleme, doch in diesem Klima muss man sich beständig daran erinnern genug Wasser zu sich zu nehmen. So kam es auch vor, dass ich eines Tages an dem ich zu wenig Wasser getrunken hatte, beinahe am OP-Tisch in Ohnmacht gefallen wäre. Ich konnte gerade noch rechtzeitig abtreten und mich hinsetzen.
Die meiste Zeit meiner Hospitation verbrachte ich im OP und gab es dort keine Arbeit, ging ich meist in die Endoskopie. Diese verfügt über ein relativ modernes Equipment und ist somit kaum zu unterscheiden von einer Endoskopie in Deutschland, mal davon abgesehen, dass die Instrumente hier wie auch im OP alle von Hand mit Seife und Desinfektionsmittel gereinigt werden müssen. Gab es in der Endoskopie ebenfalls kein Programm wohnte ich entweder dem Unterricht der Pflegeschüler im OP bei oder versuchte selbst mein Fachwissen über Instrumente und deren Pflege weiterzugeben. So half ich beim Nahtkurs für Medizinstudenten, indem ich Knüpftechniken demonstrierte und zeigte der OP-Pflege die korrekte Demontage und Reinigung von laparoskopischen Instrumenten.
An den Wochenenden unternahm ich etwas mit Margret, der OP-Leitung. Sie lud mich mit ihrer Familie zum Beispiel ins Kawumbia Recreation Center ein, eine Mischung aus Wildpark, Schwimmbad und Discothek. Ein besonderes Highlight war die baptistische Taufe ihres Enkels, zu der sie mich einlud. Dass es eine Taufe war erfuhr ich jedoch erst auf der Feier, weshalb ich dezent underdressed in Jeans und T-shirt erschien. Doch afrikanisch gelassen, störte sich niemand daran, im Gegenteil ich wurde sehr herzlich begrüßt und aufgenommen. In der übrigen Freizeit reiste ich mit Sabine, welche zufällig zur gleichen Zeit in Uganda war, durch den Südteil des Landes. Wir besuchten Jinja, die Stadt an der Quelle des Nils, Mpigi und natürlich durfte ich sie in Naggalama, ihrem Stammhospital, besuchen. So hatte ich die Gelegenheit Uganda mit der Hilfe eines Ortskundigen kennenzulernen und manch versteckte Ecken zu sehen.
Zum Ende meines Aufenthalts ging ich dann noch auf eine Fotosafari durch den Murchison Falls National Park. Ein echtes Erlebnis im Safarijeep mit offenem Dach durch die Savanne zu fahren, während einem der Fahrtwind um die Nase weht und sich vor einem Elefanten, Giraffen, Büffel und manchmal sogar tausende Koobs ausbreiten. Der Höhepunkt war der zweite Abend, an dem wir schon auf dem Weg zurück in die Lodge waren und zufällig zwei Löwen direkt neben dem Weg beobachten konnten. Diese Tierwelt von den riesigen Elefanten und Nasshörnern (im Ziwa Rhino Sanctuary, freilebende Nasshörner gibt es derzeit in Uganda nicht) bis hin zu den unzähligen, kleinen, farbenfrohen Vögeln hat mich sehr beeindruckt.
Zum Ende möchte sagen, was für ein Erlebnis diese Reise für mich war. Ich konnte viele neue Eindrücke sammeln und Menschen kennenlernen, was mir zeigt, dass es die absolut richtige Entscheidung war, alle Strapazen auf mich zu nehmen und diesen Trip zu machen. An dieser Stelle will mich auch bei allen Beteiligten bedankten, die mich bei den Vorbereitungen und während der Reise unterstützt haben. Mein besonderer Dank geht an Sabine Pühl, ohne die ich diese Erfahrung wahrscheinlich niemals gemacht hätte.