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2017 Allgemein Lubaga Uganda

Arbeit in der Lubaga – Notaufnahme

Lubaga – Naggalama 27.07 – 22.08.2017

Zuerst möchte ich mich kurz vorstellen. Mein Name ist Melisa Sanchez, ich bin 26 Jahre alt und arbeite seit 5 Jahren in der Notaufnahme des Leonberger Krankenhauses. Seit ca. 4 Jahren bin ich Mitglied im Verein „Partnerschaft Gesunde Welt“. In Uganda habe ich einen einmonatigen Auslandseinsatz absolviert und möchte über diesen berichten. 

Nach einer 24 stündigen Reise von Leonberg über Istanbul nach Entebbe kam ich erschöpft, mit über 50 Kg Gepäck, früh morgens im Lubaga Hospital in Uganda an. Ich wurde von Sister Janet freundlich in Empfang genommen und bezog mein Zimmer. Nach ein paar Stunden stand ich völlig gerädert auf, wusch mich und machte mich auf zur ersten Inspektion meines neuen Aufenthaltsortes. Am frühen Abend wurde ich von einem Ambulanzfahrer abgeholt. Wir fuhren durch die Rushhour Kampalas. Ein spannendes Erlebnis und ein heftiger Kulturschock zugleich. Vollgestopfte Straßen – Autos, LKWs, Busse, Fahrräder, Boda-Bodas (=Motorradtaxis), Tiere, Kinder alles Kreuz und Quer mitten im Verkehr umherlaufend- oder fahrend.  Es scheint keinerlei Verkehrsregeln zu geben. Auf den Boda-Bodas sitzen bis zu 6 Menschen und transportieren Gegenstände wie Zäune, Rollläden, Windschutzscheiben, tote Hühner u.ä. Eine spannende Reise ins zwei Stunden entfernte Naggalama-Hospital folgte.



Das St. Francis Naggalama Hospital in Naggalama ist ein wunderschönes, kleines, familiäres Krankenhaus in einer eher ländlichen Gegend. Ich nahm an einer Führung über das gesamte Krankenhausgelände teil und war schwer beeindruckt. Die Schwestern präsentierten die vielen Erfolge und Veränderungen in der Klinik. Der Stolz war allen förmlich anzusehen! Besonders hervorzuheben ist das enorme Engagement von unserem Vereinsmitglied Sabine Pühl, die viel Zeit, Geld und Arbeit in den letzten Jahren dort investiert hat! Es war sehr ergreifend für mich zu sehen, wie alle Hand in Hand und stets mit einem Lachen im Gesicht mit einander arbeiteten. Great Team! – lautet hier das Motto.

Die Mitarbeiter des St. Francis Hospitals unternehmen regelmäßig Fahrten zu schwer kranken Patienten auf dem Land. An dieser durfte ich teilnehmen. Unseren ersten Halt machten wir nach ca. 1 Stunde Fahrt über holpriges Gelände mitten im Busch. Hier lebte eine große Familie in einem Haus aus Lehm unter einem Wellblechdach. Ein schwer kranker Mann saß im Raum auf einer Matratze am Boden. Unter ihm lag eine Plastiktüte wegen seiner Inkontinenz. Er war zu schwach um aufzustehen. Die Hospitalschwestern berichteten, dass der Mann nicht mehr lange zu leben hat. Es wurde ein Anamnese Gespräch geführt, die Vitalparameter gemessen, er bekam Medikamente, vor allem Schmerzmittel und Antibiotika und einen großen Stapel Erwachsenenwindeln. Die Familie und der schwerstkranke Mann waren überglücklich. Weiter fuhren wir zum nächsten Patienten quer durch Buschlandschaften. Das Gelände wurde holpriger und steiniger. Die einzelnen Häuser lagen hier Kilometer weit auseinander. In Deutschland habe ich Unmengen an Süßigkeiten gekauft, die ich nun an die Kinder auf dem Land verteilen durfte. Das war ein sehr rührender Eindruck in Uganda. Es ist unbeschreiblich wie sich Kinder in solch armen Verhältnissen über kleine Päckchen Gummibärchen freuen! Ich musste die ein oder andere Träne verstecken. Nach einer weiteren Stunde kamen wir bei zwei beeindruckenden älteren Damen an. Sie empfingen uns sehr herzlich und freuten sich uns zu sehen. Die Dame (links im Bild) litt an einer schweren Form des Brustkrebses im Endstadium. Die Häuser haben keinen direkten Wasserzugang, geschweigenden Strom. Die Frauen trugen keine Schuhe und haben wahrscheinlich nur die Kleider, die sie am Körper tragen – und trotz der Widrigkeiten strahlen sie eine unbeschreibliche Herzlichkeit und Wärme aus. Wir verstanden uns sofort, auch ohne Worte. Sie bekam Medikamente und wir machten uns auf zum nächsten Patienten. Die nächste Patientin, die wir besuchten, war Mutter von 6 Kindern und litt an Gebärmutterhalskrebs im Endstadium. Sie lebte mit ihren Kindern und Enkeln in einer Hütte aus Lehm mitten im `Nirgendwo`. Die Frau wurde untersucht und bekam starke Medikamente.  Es folgten noch zwei weitere Patienten und zahlreiche Kinder.

Zurück in Naggalama ging es schnell ins Bett, es blieb nicht viel Zeit das Erlebte zu verarbeiten. Am nächsten Tag waren wir zur Kommunion der Mädchen der St. Agnes Schule eingeladen. Es war ein großes, buntes Fest mit anschließender Party. Die Kinder hatten wunderschöne Kleider an. Es gab Kuchen, wir lachten, sangen und tanzten bis die Füße schmerzten.  

Lubaga Hospital
Es folgte meine erste Arbeitswoche im Lubaga Hospital in Kampala. Eine Schwester führte mich durch das gesamte Krankenhaus und zeigte und erklärte mir alles. Überall waren wartende, zum Teil schlafende Menschen. In jedem Gang, auf jeder Bank saß jemand und wartete geduldig – Unmengen an kranken Menschen wo man nur hinsah. Die Mitarbeiter begrüßten mich sehr freundlich. Zuletzt brachte sie mich in die Notaufnahme. Diese war, wie bei uns, in zwei Teile gegliedert. Internistische und chirurgische Ambulanz. Von nun an arbeitete ich einfach mit, ergriff die Initiative und tat einfach, dass, was ich in Deutschland auch tagtäglich tue. Ich legte Venenzugänge, nahm Blut ab, fertigte Blutausstriche an, schrieb EKG´s, maß Vitalparameter, zog Medikamente auf, versorgte Wunden, … Teilweise ohne Licht, da der Strom mal wieder wegen Unwetter ausgefallen war. Es wird Zeit, dass unsere Fotovoltaikanlage völlig ausgebaut wird ….

In der Notaufnahme gab es viele schwere Wunden, die teilweise ohne Schmerzmittel versorgt wurden. In den ersten Wochen sah ich allein fünf tote Kinder, die entweder schon tot waren, als sie ins Krankenhaus gebracht wurden oder bei uns in der Ambulanz starben. Meist an einfachen fieberhaften Infekten, die in Deutschland ohne Probleme mit einfachsten Medikamenten behandelt werden können. Es mangelt am Geld der Patienten, viele können sich eine medizinische Versorgung nicht leisten. 

Hier habe ich gesehen, wie Menschen in der Notaufnahme verbluten, weil keiner handelt, bevor nicht gezahlt wird. Das ist in Afrika die grausame Realität. Viele Patienten gehen ohne Behandlung wieder nach Hause. An einem Tag, so erinnere ich mich schweren Herzens, kam eine Mutter mit einem völlig verbrannten Einjährigen zu uns in die Notaufnahme. Der Kleine war mit dem Gesicht in heißes Öl gefallen. Wir mussten die restliche verbrannte Haut von Gesicht, Hals, Brust und Ohren entfernen. Die Schreie gehen einem nur schwer aus dem Kopf. In Deutschland wird solch eine Prozedur bei Kindern in Vollnarkose gemacht – in Afrika ist das völlig normal und gehört zum Alltag.

Viele chirurgische Instrumente waren kaputt und funktionierten nicht mehr. Die Baumwolltücher, die zum Sterilisieren der Instrumente dienen, haben zum Teil Löcher und sind schlichtweg nicht mehr zu gebrauchen. Als ich fragte, bekam ich zu Antwort, dass es nichts Anderes gibt. Ich fragte mich was aus den ganzen Spenden von uns eigentlich geworden ist. Jaqueline, eine junge deutsche Frau, die seit knapp einem Jahr in der Verwaltung des Lubaga Hospitals arbeitet, bot mir an, mal danach zu schauen. So machten wir uns auf die Suche und landeten im Lager des Hospitals. Hier fanden wir nun Unmengen an Spenden, insbesondere Bandagen, Orthesen, Baumwolltücher zur Sterilisation und neue Instrumente. Kreuz und quer zusammengewürfelt in Regalen. Hier gab es eine Menge zu tun! Die Lagerverwalterin zeigte nicht viel Interesse und meinte nur, dass sie nicht wisse, was das alles für Dinge sind. Von nun an ging ich beinahe jeden Tag ins Lager sobald in der Ambulanz nichts oder nur wenig zu tun war. Wir entstaubten Orthesen und Bandagen, sortierten sie nach Art und Größe und beschrifteten sie. Schufen Platz in Regalen und organisierten die Eingabe ins System des Krankenhauses. 
Wir vereinbarten Termine, dass die jeweiligen Stationsleitungen ins Lager kommen. So konnte ich beispielsweise den Mitarbeitern zeigen, wie man einen Notfallkoffer, einen Beatmungsbeutel oder eine Halswirbelstütze verwendet. Ich nahm mir vor, dafür zu sorgen, dass bei jeder zukünftigen Containerentladung die Sachen nicht mehr nur im Lager verschwinden, sondern die potentiellen Nutzer sofort eingewiesen werden.

Bei einer Besichtigung des Krankenhausgeländes zeigte mit Dr. Andrew, Leiter des Lubaga Hospitals, stolz die von unserem Verein gespendete Photovoltaikanlage auf dem Dach des Krankenhauses. 

So endete meine Reise in Uganda. Nach meiner Rückkehr in Deutschland hatte ich nur wenig Verschnaufpause und befand mich schnell wieder im deutschen Krankenhausalltag. Ein junger Patient ließ sich mit dem Rettungswagen nachts in die Notaufnahme fahren, weil er sich tagsüber den großen Zeh am Gabelstapler angestoßen hatte. Die zweite verspürte eine kommende Grippe. Beide schimpften über „lange“ Wartezeiten. So wie viele Patienten tagtäglich in Deutschland.
Durch Partnerschaft Gesunde Welt hatte ich die Möglichkeit einen Einblick in eine ganz andere – existenziellere – Art von Arbeitsalltag zu bekommen. Ich bin sehr froh, dass ich diese Erfahrung machen konnte und diese herzlichen und freundlichen Menschen in Uganda kennen lernen durfte. Ich danke vor allem Sabine Pühl, Wolfgang Fischer und meiner Mutter Siglinde Sanchez für die Unterstützung!